Martin Amanshauser

Weine aus neuen Breitengraden

Thaiweine für Wolfgang

Vor fünfzehn Jahren tauchten chinesische Weine auf. Sie schmeckten grotesk. Mittlerweile hat China auf dem Weinsektor aufgeholt und produziert Spitzenweine. Aber Thailand? Lange Zeit behaupteten Puristen, ernsthafter Wein könne nur zwischen dem 30. und 50. Breitengrad gedeihen – geringe Lichtintensität und extreme Luftfeuchtigkeit schienen den Anbau in Tropenregionen zu verhindern.

Doch der thailändische Energy-Drink-Milliardär Chalerm Yoovidhya, jener Mann, dem Dietrich Mateschitz die Lizenzrechte an der Marke Red Bull abkaufte – die kohlensäurefrei in Thailand als „Krating Daeng“, also „roter Gaur-Stier“ bekannt ist – investierte als Weinliebhaber seit den Achtzigern in Thai-Weinberge. Wieso sollte sein Land keinen guten Wein herstellen können, wenn mittlerweile Schweden, Kenia oder Indien „New Latitude Wines“ produzierten? Nahe am mondänen Seebad Hua Hin erwarb er im Hügelland einen alten Elefantengarten, in dem nur ein Elefant übrig war, ließ Rebstöcke anpflanzen und gründete die „Siam Winery“. Das erste Produkt wurde zum Selbstläufer: ein Wein-Süßgetränk namens „SPY Wine Cooler“, mittlerweile die populärste alkoholische Billigflasche unter Frauen in Thailand.

1999 entstand ein lieblicher Tafelwein nach Thaigeschmack. Das europäische Know-How kam erst in diesem Jahrtausend dazu. Yoovidhya gründete das Label „Monsoon Valley Wine“ und engagierte junge, ehrgeizige Winzerinnen wie die Deutsche Kathrin Puff. Mit ausgesuchten, widerstandsfähigen Rebsorten funktionierte der Tropenweinbau! Heute stellen Puff und Kollegen Premiumweine her, die rund um die Welt Preise erringen: einen Rosé-Shiraz und einen roten Shiraz, einen Colombard. Aus Australien, Frankreich, Japan oder England – den bevorzugten Exportländern – hagelte es Auszeichnungen, die Shiraz errangen unter anderem bei der „Austrian Wine Challenge“ Gold- und Silbermedaillen.

Neben dem Elefantenland in Hua Hin und dem Flagship-Weingut in Samut Sakorn sind die „Schwimmenden Weingärten“ im Chao-Phraya-Delta mit ihren außergewöhnlichen Ernten (per Boot, händisch, nachts), das attraktivste Anbaugebiet. Hier wachsen die Reben in einer von schmalen Kanälen durchschnittenen Insellandschaft. Bewässerung ist unnötig, einziger Nachteil liegt in der kurzen Lebenszeit der Reben, die nach 10 bis 15 Ernten am Ende sind.

Warum aber überhaupt Thaiwein? Das Ziel der „Siam Winery“ (Jahresproduktion: 25 Millionen Liter) ist es, eines Tages in den zehntausenden über die ganze Welt verstreuten thailändischen Restaurants vertreten zu sein. Vorher muss noch ein hartnäckiges Vorurteil entkräftet werden: dass das Red Curry, Tom-Yam-Kung & Co. zu markant und scharf schmecke, um mit gutem Wein genossen zu werden. Aber auch hier scheint die internationale Gourmetkritik milde und allmählich ihre Meinungen zu erneuern. Der Export ist in Schwung, die französische Supermarktkette Carrefour hat Siamweine bereits im Sortiment.

Daheim ist alles komplizierter. Kaum ein Thai kennt Thaiwein. Um die Trinkgewohnheiten an westliche Standards heranzuführen, wird ein Malaga Blanc produziert, ein Chenin Blanc Spätlese, ebenso wie Weine aus der einheimischen Traube Pokdum, die immerhin 8 Prozent der Anbaufläche ausmacht.

Die niedrigen Preise von Importweinen sind die größte Hürde, um im eigenen Land Fuß zu fassen. Viele Restaurants würden gerne das einheimische Produkt anbieten, es ist jedoch zu teuer. Seit Weinjournalisten wie Stuart Pigott (UK) Denis Gastin (Australien) oder US-Weinpapst Robert Parker die Thaiweine positiv bis frenetisch rezensierten, haben große Hotels wie das Oriental, das Peninsula und das Marriott sie auf ihrer Liste.